Zum Inhalt springen

Geschlossenes Altarbild

ALTAR--GRÜNEWALD--HOCHALTAR--ISENHEIMER

Wenn die Außentafeln geschlossen sind, zeigt das Altarbild die Kreuzigung Christi in ihrer ganzen Schrecklichkeit: Der Leib des Herrn aschfahl, durch die entsetzliche Geißelung entstellt, der Mund geöffnet zum Todesschrei; der Herr ist eben verschieden. Er hat den Tod des "Gottesknechtes", wie ihn der Prophet Jesaja schildert, zur Sühne für die Sünde der Welt auf sich genommen. Der Prophet hat in seiner Schau vom "leidenden Gottesknecht" eine Deutung des Todesleidens Jesu gegeben, an die sich Grünewald gehalten und dies meisterhaft und ergreifend dargestellt hat: "Wie ein Aussätziger, vor dem man sein Gesicht verhüllt, war er verachtet. Aber er hat unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen. Er wurde durchbohrt wegen unserer Verbrechen, wegen unserer Sünden zermalmt. Zu unserem Heil lag die Strafe auf ihm, durch seine Wunden sind wir geheilt." (Jes 53, 3-5). Diese Darstellung sollte Trost für die Kranken des Siechenhospitals in Isenheim sein und ihnen ihr Leiden als Teilnahme am Leiden Christi sinnvoll erscheinen lassen (vgl. Röm 8,17 und Phil 1,29).

Unter dem Kreuz steht Maria, kreidebleich, die Schmerzen und den Tod ihres Sohnes mitleidend. Der Evangelist Johannes, als Sinnbild de Kirche kardinalrot gekleidet, hält Maria in den Armen und stützt sie. So erfüllt sich das Wort Jesu: "Frau, siehe dein Sohn! Siehe, deine Mutter!" (Joh 19, 26.27)

Zu Füßen des Kreuzes kniet Maria Magdalena mit einem Salbgefäß. Sie ist Vertreterin der sündigen Menschheit, aber auch Vorbild aller reuigen Sünder. Rechts vom Kreuz weist Johannes der Täufer mit überlangem Zeigefinger auf den Gekreuzigten:

"Illum opportet crescere, me autem minui - Er muss wachsen, ich aber muss kleiner werden" (Joh. 3,30). Diese Schrift ist auf dem dunklen Hintergrund über dem Arm des Täufers schwach zu erkennen.

Meister Grünewald stellt den Täufer unter das Kreuz, damit er Christus, die Erfüllung des Alten Bundes, als "neues Osterlamm" bezeuge. Darauf weist das Lamm zu Füßen des Täufers hin und erinnert an dessen Wort: "Seht das Lamm Gottes" (Joh 1,36). Das Blut des Lammes fließt in den goldenen Kelch: hier auf dem Altar wird das Kreuzesopfer Jesu Christi gegenwärtig. Das Drama von Golgatha findet seinen Abschluss in der Grablegung, dargestellt in der sogenannten Predella (Übergangsbild vom Altarbild zum Altar). Der auf dem Grabtuch liegende tote Erlöser wird vom Evangelisten Johannes der Mutter Maria und Maria Magdalena entgegengehoben. Vor dem einfachen offenen Grab liegt die Dornenkrone. Neben dem Kreuzigungsbild in schmalem Rahmen sieht man Antonius, den Einsiedler; Patron des Isenheimer Spitals, und auf der anderen Seite Sebastian, Patron der Pestkranken. Beachtenswert ist, dass das Fenster der Einsiedelei vom Satan zertrümmert wird und dass der Strick, mit dem Sebastian an die feste Säule (Sinnbild der Kirche) gebunden war; zerrissen ist. Diese Symbolik weist vermutlich auf die geistigen Umwälzungen zur Zeit der Entstehung des Altarwerks hin. "Wir wissen, wie sehr Meister Grünewald zu einem Kreis der kirchlichen Reformbewegung gehörte und zwischen Vergehen und Werden alten und neuen Glaubens im religiösen Leben gestellt war".

Dem Betrachter von heute mag dies auch in den Krisen unserer Zeit ein Hinweis und letztlich eine Hilfe sein: Die Kirche ist in der Welt "eine stets zu erneuernde" (II. Vatikanisches Konzil).